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Blutzucker Spitzenkontrolle

Diabetiker*innen haben ihren Blutzucker gerne spitzenmässig unter Kontrolle! Allerdings liegt es in der Natur der Erkrankung, dass der Blutzucker eben oft nicht im Normalbereich ist. Vor allem nach dem Essen: Hohe Blutzuckerwerte nach dem Essen (post-prandial) werden «spikes» genannt – «Spitzen». Diese Blutzucker-Spitzen haben einen grossen Einfluss auf den durchschnittlichen Blutzuckerwert (z.B. das HbA1c, oder die Time-In-Range, TIR).

Idealerweise sollte der Blutzucker 1-2 Stunden nach dem Essen unter 7.8-10mmol/l [<140-180 mg/dl] liegen. …hmmm…

Wieso sind Blutzucker-Spitzen ein Problem?

Hohe Blutzuckerwerte nach dem Essen haben einen Einfluss auf den Durchschnittszucker. Die meisten Diabetiker*innen können ihren Durchschnittzucker oder ihre Time-In-Range verbessern, wenn die hohen Spitzen vermieden, oder wenigstens abgeflacht werden können.

Starke und lange Anstiege des Blutzuckers nach einer Mahlzeit begünstigen nämlich bei Typ 1 Diabetiker*innen Nierenschädigung und Retinopathie, die klassischen Diabetes-Spätkomplikationen. Bei Typ 2 Diabetiker*innen verstärkt sich zusätzlich das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Ausserdem wurden diese Blutzucker-Spitzen mit verringerten Gehirnfunktion und einem erhöhten Demenz-Risiko in Verbindung gebracht.

Während der Blutzucker-Spitzen leidet auch die momentane Lebensqualität: man fühlt sich schlapp, kann nicht richtig denken, ist körperlich nicht leistungsfähig und oft starken Gefühlsschwankungen ausgeliefert.  

Blutzucker nach dem Essen

Der Anstieg des Blutzuckers wird von der Menge und auch von der Art der gegessenen Kohlenhydrate beeinflusst. Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index erhöhen den Blutzucker rascher. Ebenfalls haben Eiweisse und Fette einen Einfluss auf den Anstieg des Blutzuckers, da sie die Magenentleerung verlangsamen.1 Viel Fett führt zusätzlich zu einer stärkeren Insulinresistenz, d.h. es braucht deutlich mehr Insulin, um die mit-gegessenen Kohlenhydrate abzudecken. Fettreiche Mahlzeiten können den Insulinbedarf bis zu 2x erhöhen!

Blutzucker Spitzenkontrolle – 7 Strategien

  1. Richtiges Insulin / richtiger Zeitpunkt: die rasch wirksamen Insuline (Humalog, NovoRapid, Apidra) fangen etwa 10-20 Minuten nach Injektion an zu wirken. Die Wirkung hält etwa 3-4 Stunden an.2,3 Somit lohnt es sich, den Insulinbolus fürs Essen etwa eine halbe Stunde vorher zu spritzen (bitte Wahl des Insulin und Ess-Spritz-Abstand mit dem zuständigen Diabetologen absprechen!).  
  2. Tiefer glykämischer Index: Als Faustregel gilt immer, so Vollkorn wie möglich, so wenig verarbeitet wie möglich. Lebensmittel, die reich an Nahrungsfasern (Vollkornprodukte, Gemüse) sind, erhöhen den Blutzuckerspiegel langsamer und machen länger satt. Der Verarbeitungsgrad spielt auch eine Rolle: Je weniger verarbeitet, verändert, gekocht, desto besser. Also lieber Pellkartoffeln / Gschwellti (der Fasern zuliebe sogar lieber ungepellt) als Fritten, lieber roher Karottensalat als gekochte Karotten.
  3. Halber Teller Gemüse: mindestens die Hälfte der Portion soll aus Gemüse bestehen. Das Gemüse wird auch zuerst gegessen. Für mich als reiner Pflanzenfresser ist das recht einfach: Salat, rohe, gedünstete, gegrillte oder zu Suppe verwandelte Gemüse gibt es idealerweise zu jeder Mahlzeit. Ja, zu jeder, auch zum Frühstück. Gegrillter Kürbis vor dem Müesli? Gurken-Tomaten auf Sauerteigbrot? Gemüsesuppe als Einstieg in den Tag? Ungewöhnlich, aber das Beste, was man für seinen Blutzucker machen kann!!
  4. Säure zufügen: Säure verlangsamt die Magenentleerung und eine kleine Beigabe von 1-2 Esslöffel Essig wird den Blutzuckeranstieg verlangsamen.
  5. Langsam essen, Mahlzeit aufteilen: manchmal kann man einen Teil der Mahlzeit als späteren Snack zurückbehalten. Z.B. die Beeren zum Dessert erst nach 1-2 Stunden essen oder zwischen Mittagessen und Kaffee eine längere Pause machen.
  6. Bewegung: eine leichte Aktivität von 10-15 Minuten wird den Blutzuckeranstieg stark reduzieren. Durch Bewegung wird die Haut besser durchblutet und das Insulin rascher resorbiert. Auch wird ein Teil des Blutzuckers von den Muskeln direkt wieder in Energie umgewandelt und verbleibt somit nicht im Blut. Ein kurzer Spaziergang, ein Tänzchen mit dem Staubsauger, eine Viertelstunde Gartenarbeit brechen diese Blutzucker-Spitzen hervorragend.
  7. … und dann kommt es anders: auch ich muss immer daran denken, dass diese Punkte auch in speziellen Situationen gelten: wenn ich zum Essen eingeladen bin oder Besuch habe, vergesse ich leider viel zu oft den Spaziergang nach dem Essen….

Literaturangaben
1. Lupoli R, Pisano F, Capaldo B. Postprandial Glucose Control in Type 1 Diabetes: Importance of the Gastric Emptying Rate. Nutrients. 2019;11(7). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31295897
2. Home PD. The pharmacokinetics and pharmacodynamics of rapid-acting insulin analogues and their clinical consequences. Diabetes Obes Metab. 2012;14(9):780-788. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22321739
3. Home PD. Plasma insulin profiles after subcutaneous injection: how close can we get to physiology in people with diabetes? Diabetes Obes Metab. 2015;17(11):1011-1020. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26041603

und…. sehr zu empfehlen die neue Ausgabe:

Scheiner G. Think like a pancreas. 3rd ed. New York: Hachette Book Group; 2020.

1 Gedanke zu „Blutzucker Spitzenkontrolle“

  1. Ein sehr wichtiges Thema, Carla! Auch nach 30 Jahren «Diabetes-Erfahrung» kämpfe ich noch oft mit dem BZ Anstieg nach dem Essen. Beste Grüsse

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