Essen ist das Schwierigste am Diabetes. Es macht uns krank und es macht, dass es uns gut geht. Essen beeinflusst jeden Aspekt unseres Lebens. Wenn es da ist und wenn nicht. Wir können nirgendwo hingehen, oder etwas tun, ohne ans Essen zu denken.
Als Diabetiker*innen können alles essen was wir wollen. Aber nicht soviel wir wollen oder wann wir wollen.
«Iss was Du brauchst»
Das tönt vernünftig, aber dazu gehört auch: «iss nicht zuviel davon, und iss nicht, wenn Du nicht essen sollst». So beschreibt es Chuck Eichten in seinem Buch «The book of better«. Er erklärt auch, dass diese Regel eigentlich für alle gilt, nicht nur für Diabetiker*innen. Allerdings ist es für Diabetiker*innen schwieriger, da uns unsere Blutzuckerwerte sehr stark von unserer Essenswahl abhängen. So stark, dass wir uns oft nur noch aufs Essen fokussieren und dadurch ein Problem damit entwickeln.
Entscheidungen ums Essen
Bernd Wansink und sein Team haben beschrieben, dass jeder (nicht-Diabetiker) täglich etwa 200 Entscheidungen alleine im Bezug auf “Essen” fällt!1 Wenn, was, wieviel, wo, mit wem…. Unsere Entscheide sind gefärbt von Essensnormen wie Packungsgrösse, Lichtverhältnisse, Teller- oder Schalengrösse, die Anwesenheit von Mitmenschen. All dies beeinflusst die Menge an Nahrung, die wir zu uns nehmen. Beispielsweise führen grössere Teller dazu, dass wir zwischen 15 und 45% mehr essen, bis wir uns endlich «satt» fühlen, als wir schöpfen würden, wenn wir einen kleineren Teller hätten. Trotzdem hatten 73% der Studienteilnehmer den Eindruck, dass sie es unter Kontrolle hätten und ihr Körper wisse, wieviel er bräuchte.2
Mein Körper weiss, was er braucht (?!)
Das ist vermutlich für alle ein Irrglauben. Wenn wir uns von der Packungsgrösse, vom Licht oder der Tellergrösse so ablenken lassen, spüren wohl die wenigsten, was sie brauchen.
Viele Diabetiker*innen können sich zudem gar nicht «aufs Gefühl» verlassen. Durch Veränderungen im Hormonhaushalt der Sättigungshormone haben einige von uns ein vermindertes Sättigungsgefühl. Ich kann essen, bis mir der Bauch weh tut und habe oft immer noch Lust weiter zu essen. Meist hilft die Vernunft mit, dass ich aufhöre, ist aber mein Blutzucker zu hoch oder zu tief, ist auch diese Kontrolle nicht mehr sehr stark.
Die Beziehung zum Essen wird dadurch natürlich beeinflusst: Isst man das Falsche, bzw. spritzt man zu viel oder zu wenig Insulin, kommt es zu schlechten Blutzuckerwerten. Die ständige Beschäftigung mit dem Essen trägt zu gestörten Essverhaltensweisen bei.3 Je nach Altersgruppe scheinen etwa 30-60% der Typ 1 Diabetiker*innen einen gestörten Umgang mit Essen zu haben. Frauen häufiger als Männer und beide haben ein etwa doppelt so hohes Risiko, richtige Essstörungen zu entwickeln als nicht-Diabetiker.4,5,6
Die Essensbasics
Die sind theoretisch einfach und für alle gleich. Wie oben gesagt, iss was Du brauchst, nicht zuviel davon und nicht, wenn Du nicht essen sollst. Es gibt meiner Meinung nach keine «Diabetes-Diät». Aber natürlich muss jede Diabetikerin und jeder Diabetiker verstehen, wie der Blutzucker auf was reagiert. Und das ist abhängig von Tageszeit, Insulinempfindlichkeit, den momentanen Blutzuckerwerten, den gestrigen Blutzuckerwerten, der körperlichen Aktivität, der gestrigen körperlichen Aktivität, des Hormonzyklus als Frau, wie man geschlafen hat, was man isst, wann man isst, von der Laune, vom Stress, und so weiter.
Essen ist das Schwierigste am Diabetes. Für mich ist es am besten «langweilig» zu wählen. Jeden Tag dasselbe Frühstück, dieselbe Menge an Kohlenhydraten bei den verschiedenen Mahlzeiten, diesselben Essenszeiten (gerade auch am Wochenende!), derselbe Rhythmus an Sport, Schlaf und Arbeit. Wie oft ich das schaffe? Selten alles. Aber täglich etwas davon und das macht es oft schon besser.
Literaturangaben:
1. Wansink B, Just DR, Payne CR. Mindless Eating and Healthy Heuristics for the Irrational. Am Econ Rev. 2009;99(2):165-169. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29505211
2. Sharp DE, Sobal J, Wansink B. Using plate mapping to examine portion size and plate composition for large and small divided plates. Eat Behav. 2014;15(4):658-663. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25280373
3. De Paoli T, Rogers PJ. Disordered eating and insulin restriction in type 1 diabetes: A systematic review and testable model. Eat Disord. 2018;26(4):343-360. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29182474
4. Doyle EA, Quinn SM, Ambrosino JM, Weyman K, Tamborlane WV, Jastreboff AM. Disordered Eating Behaviors in Emerging Adults With Type 1 Diabetes: A Common Problem for Both Men and Women. J Pediatr Health Care. 2017;31(3):327-333. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27843015
5. Jones JM, Lawson ML, Daneman D, Olmsted MP, Rodin G. Eating disorders in adolescent females with and without type 1 diabetes: cross sectional study. BMJ. 2000;320(7249):1563-1566. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10845962
6. Colton PA, Olmsted MP, Daneman D, et al. Eating Disorders in Girls and Women With Type 1 Diabetes: A Longitudinal Study of Prevalence, Onset, Remission, and Recurrence. Diabetes Care. 2015;38(7):1212-1217. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25887359