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Nichts mehr im Griff

Es gibt doch diese Phasen, wo man komplett «vom Wagen fällt». Wo man nichts mehr im Griff hat. Plötzlich geht gar nichts mehr, oft sogar tage- oder wochenweise. Ich schlafe mit schlechtem Blutzucker ein, wache mit gutem auf (danke, Medtronic 780G), aber dann bereits beim Frühstück flippt der Blutzucker wieder komplett aus. Korrekturinsulin führt zu Hypoglykämien, dann überkorrigiert man aus Ärger den Unterzucker, auf – ab – auf – ab. Der Versuch wenigstens jetzt nichts «Dummes» zu essen führt sicher zu Heisshungerattacken und Lust auf Sport hat man grad auch nicht.

Finde den Fehler: das Problem identifizieren

Oft führt das eine zum anderen. Man hat Angst vor erneuten Hypoglykämien (Unterzuckerungen) und macht deswegen keinen Sport mehr. Der Körper wird resistenter gegen Insulin, der Blutzucker wird hoch und man spritzt mehr Insulin. Aus Trost isst man dann doch einmal etwas Süsses, spritzt nochmehr Insulin hinterher. Die nächste Unterzuckerung ist vorprogrammiert. Die Laune wird schlechter, der Stress höher und schlafen kann man auch nicht mehr richtig. Halleluja, alles Faktoren, die den Blutzucker so richtig in den Eimer knallen.

Das Problem ist oft schwer zu identifizieren, da es sich meist um eine Verkettung unglücklicher Zusammenhänge handelt. Kleinigkeiten macht man ja jeden Tag «falsch», zwei Gläser Wein am Abend, doch mal ein halbes Pack Nüsse als Snack, ein kleines Stück Pizza, kein Sport, weil zu faul. Das liegt meist drin, wenn es sich um sporadische Kleinigkeiten handelt. Gefährlich ist es aber, wenn sich die «Fehler» summieren. Ich werde dann unsicher, verteufle meinen Diabetes regelrecht, kriege schlechte Laune und zack: auch das macht einen schlechten Blutzucker.

Wie komme ich da raus? Sich selber aus dem Sumpf ziehen

Tja, sich selber aus dem Sumpf zu ziehen, scheint tatsächlich kaum möglich. Schliesslich dauert es meist eine Weile bis man überhaupt merkt, dass man an seinen Problemen grad total selber schuld ist. Nachdem man dies eine Zeit verleugnet und sich als Diabetes-Opfer ausreichend bemitleidet hat, muss man aber handeln. Ich habe ein Set von Vorgaben, wie ich das tun kann. Und das beinhaltet nicht die intuitive Reaktion, sich zu strafen, gar nichts mehr zu essen, nur noch Sport machen, 15x im Tag Blutzucker zu messen und fein-titriert ständig Insulin nachzudosieren.

Sondern zu überlegen, was mir guttut. Was mir gute Laune macht, mich gut schlafen lässt, was mir schmeckt und was mir jedesmal hilft, am Ende des Tages mit gutem Blutzucker dazustehen. Meine Gamechanger!

Meine Gamechanger auf einen Blick:

Haltung & Einstellung

1. 80% ist gut genug. Blutzuckerwerte sind nur Werte. Und ja, diese liegen manchmal ausserhalb des Normbereiches.
2. Alle zwei Wochen nehme ich mir eine halbe Stunde Zeit, um meine Blutzuckerwerte anzuschauen.
3. Mein Kühlschrank ist voll mit für mich guten Sachen, Diabetes-taugliche Snacks sind vorhanden.
4. Belohnungen für alles, was mir vielleicht stinkt und trotzdem guttut: Spinning mit Netflix, Spazierengehen mit Hörbuch, etc.

Essen

5. Pflanzenbasierte Ernährung: vegan, keine verarbeiteten Lebensmittel.
6. Fürs Essen IMMER einen Plan haben!
7. Mindestens die halbe Portion jeder Mahlzeit besteht aus Gemüsen oder aus Früchten, roh was geht.
8. Keine Ausnahmen machen.

Sport & Schlaf

9. In 2 Minuten ist alles sportklar: App auf dem Handy, Sportgeräte daheim, Yogamatte neben dem Bett
10. «to show up»: täglich Sport einplanen: wie ein Zahnarzttermin in der Agenda!
11. Spazierengehen nach jedem Essen, mindestens 10 Minuten.
12. Auf den Hund kommen: mit einer lieben Fellnase spazierengehen
13. 8 Stunden Schlaf, Rhythmus einhalten

…. und ich mache jede Wette (mit mir und mit Dir!) dass nach Einhalten einiger Gamechanger der Blutzucker wieder auf Spur ist!

Viel Erfolg dabei.

5 Gedanken zu „Nichts mehr im Griff“

  1. Hallo Carla,
    mich interessiert ganz einfach, wieviel Insulin Du in etwa pro Tag benötigst, da die Menge bei mir scheinbar im Moment immer mehr wird, obwohl sich mein Lebensstil nicht ändert.

    Gruss Bert

    1. Lieber Bert, ich brauche ca 23-25 IU Novorapid (=Basis + Bolus, da ich eine Pumpe habe und nur eine Insulinart). In der Literatur angegeben sind für Erwachsene Typ 1 Diabetiker Zahlen zwischen 0.4-1 IU/kg/Tag. Bei mir sind 25 IU auf 63kg also etwa 0.4 IU/kg/Tag.
      Bei mir ist das Thema Insulinresistenz immer wieder aktuell, wenn ich viel Fett esse, zuwenig schlafe, mich nicht bewege brauche ich sehr rasch mehr Insulin, manchmal bis 30 IU total pro Tag.
      Falls Du je länger je mehr brauchst, lohnt es sich sicher, das mal mit Deiner Diabetologin zu besprechen oder mit einer Diabetesberaterin (die helfen meist deutlich besser für aktuelle Lebensfragen mit Diabetes als die Ärzte).
      Ich kann aber gerne nochmals einen Blog über Insulinresistenz (und wie man diese besser umgehen kann) und zusammenstellen, wenn Du möchtest. Täte mir glaubich auch gut 🙂
      Beste Grüess, Carla

      1. Hallo Carla,
        danke für deine sehr ausführliche Antwort, kurz zu mir: bin 54 seit 14 Jahren wohl Lada-Diabetes und bin 196 cm hoch, aber nur 90 kg schwer, versuche gerade zuzunehmen, aber das ist schwierig bei zudem exkriner Pankreasinsuffizienz und der Scheu nach mehr Insulin pro Tag.
        Zur Zeit benötige ich ungefähr 20 IU Lispro aber auch nur bei keinen zuckerhaltigen Produkten und indem ich nach jeder Mahlzeit auf mein Rudergerät gehe um die Spitzen abzufedern.
        Das ist allerdings sehr anstrengend und wohl auch auf Dauer nicht zielführend. Mein Arzt sagt mir auch, dass Insulin nicht schädlich und ein körpereigener Stoff ist…trotzdem kann er micch nicht wirklich überzeugen mehr Insulin zu spritzen.
        Hoffe, ich ändere bald meine Meinung…..habe halt Angst, dass ich dann jedes Jahr mehr Insulin benötige und dann doch in einer Resistenz lande.

        Gruss aus Ostfriesland

        1. Lieber Bert, nun das scheint doch für Deine Grösse sehr wenig Insulin zu sein! Wenn Du so sparsam mit dem Insulin bleibst, wird das mit dem Zunehmen kaum gehen. Mit den o.g. Zahlen wärst Du mit 36 IUs immer noch an der unteren Grenze eines «reinen» Typ-1 Diabetikers, also bei 0.4 IUs/kg/Tag.
          Ich werde die relevanten beschriebenen Punkte der Insulinresistenz in einem zukünftigen Blog zusammenstellen.
          Schau gut zu Dir und sei lieb zu Dir! Beste Grüess, Carla

  2. Liebe Carla, mein hauptsächliches Problem ist sicherlich meine exokrine Pankreasinsuffizienz. Hierfür nehme ich seit einigen Monaten Pankreatan aber bisher ohne jeglichen Erfolg. Die letzte Elastanmessung im Stuhl konnte keine Elastane messen. Jetzt nehme ich die Enzyme ohne den Kapselüberzug während des Essens, aber ehrlich gaesgt glaube ich nicht wirklich an einen Gamechanger. Ich gehe eher davon aus, dass ich mehr Kohlenhydarte essen muss, die nicht unbedingt zur Verdauung Amylase aus dem Pankreas benötigen.
    Bin etwas entmutigt und hilflos muss ich zugeben…
    Hast vielleicht Du noch eine andere Idee?
    Gruss aus Ostfriesland von Bert…acj ja vielleicht BE isst Du pro Tag bei deinen 25 E Insulin?

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