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Soll ich mich gegen COVID-19 impfen lassen?

Ja! Auch als nicht-DiabetikerIn. Impfungen gehören meiner Ansicht nach mit zu den besten medizinischen Errungenschaften überhaupt! Grundsätzlich hat eine Impfung zum Ziel, einen Menschen oder ein Tier vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen. In dem man jemanden mit einen abgetöteten, abgeschwächten oder speziellen Teil des Krankheitserregers impft, wird dessen Immunsystem aktiviert und bildet einen Schutz gegen den Erreger. Das Immunsytem baut diesen Schutz auf, ohne dass der Körper eine «richtige» Infektionskrankheit mit den möglichen Komplikationen und Langzeitfolgen durchmachen muss. Die Entwicklung von Impfungen ist eine riesige Erfolgsgeschichte, die jedes Jahr Millionen von Menschen das Leben rettet.1

Umso erstaunter bin ich, dass es in der aktuellen Pandemie offenbar so viele Impf-Untentschlossene gibt. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen werden sich zwar impfen lassen, aber das erscheint mir mit einer medizinischen Ausbildung auch absolut logisch. Anders scheint es bei anderen Bekannten und Freunden zu sein. Sogar bei Leuten, die eine chronische Erkrankung und somit ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Gerade diese Woche hatte ich im Wartezimmer meiner Diabetologin eine Diskussion zwischen ihr und einem Typ 1 Diabetiker mitverfolgt. Der Typ 1 Diabetiker war sich noch nicht sicher, ob er sich impfen lassen wolle. Kein Impfgegner, aber offenbar verunsichert und noch nicht entschieden.

Wieso sich als DiabetikerIn impfen lassen?

Als Diabetiker will man meist nicht noch zusätzlich krank werden. Auch wenn sich das Risiko für einen schweren Verlauf für Diabetiker vor allem auf die Gruppen bezieht, deren Diabetes schlecht eingestellt ist oder die bereits Gefässchäden / kardiovaskuläre Vorerkrankungen haben, ist eine Coronavirus-Infektion auch für die besser eingestellten Diabetiker sehr ungünstig.2 Coronavirus-Infektionen haben nachweislich einen grossen Einfluss auf die Kontrolle des Diabetes. Wie bei jedem Infekt kommt es zu einer starken Entzündungsreaktion, die zu einer starken Insulinresistenz führt, den Blutzucker viel schlechter kontrollierbar macht. Dazu kommt wegen der Entzündung von Blutgefässen das stark erhöhte Risiko für Thromboembolien (Blutgerinnsel).3 Diese können Organe wie die Nieren, das Herz oder das Gehirn schwer schädigen. Gegen COVID-19 gibt es zurzeit nur unterstützende Behandlung, die oft nicht ausreichend ist, um die Schäden zu verhindern. Die momentan eingesetzten Medikamente bei schweren Erkrankungen tragen zudem oft weiter zur Entgleisung des Blutzuckers bei.3 (Dexamethason zum Beispiel ist ein stark wirkendes Kortison).

Somit hat sich die Frage bei mir nicht lange gestellt, ob ich mich baldmöglichst impfen lassen werde….

Ängste im Zusammenhang mit der Impfung

Zugegeben, einige Ängste und Fragen, die oft im Zusammenhang mit den COVID-Impfstoffen genannt wurden, hatte ich zunächst auch. Mittlerweile hat sich das für mich aber stark relativiert.

1) Rasche Entwicklung des Impfstoffes

Nun ja, der Impfstoff konnte unter anderem so rasch entwickelt werden, weil sich das Interesse aller darauf konzentriert hat: Weltweit laufen über 200 Forschungsprojekte mit Impfstoffen. Viele Länder haben sehr viel Geld in diese Impfstoffentwicklungen gesteckt und viele Wissenschaftler haben intensiv und sehr eng zusammengearbeitet. Die Pharmafirmen haben grosse finanzielle Risiken auf sich genommen und die Entwicklung vorangetrieben. Rasch ging es aber auch, da die vorhandenen Informationen umfangreich sind: es gibt viele Krankheitsfälle und viele Probanden können geimpft werden. So liegen die Wirksamkeits- und Risiko-Daten einfach auch rascher vor.

2) Keine Langzeitdaten

Manchmal kommt auch die Kritik, es gäbe keine Langzeitdaten. Natürlich nicht, wir kennen das SARS-CoV-2-Virus ja erst seit einem Jahr. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir wissen. Auf das, worauf wir hinarbeiten, was wir verhindern wollen. Nämlich, dass teilweise in der Schweiz fast 100 Personen pro Tag an diesem Virus sterben, in Deutschland weit über 500! Dem gegenüber wissen wir auch bereits jetzt schon ausreichend klar, dass die akuten Impfreaktionen der zwei bisher zugelassenen Impfstoffe sehr mild und sehr selten sind. Der Impfschutz dagegen ausserordentlich hoch. Das ist doch fantastisch!

3) Mittel- und langfristige Nebenwirkung der COVID-19-Erkrankung

Bezüglich mittel- und langfristiger Nebenwirkungen einer COVID-19-Erkrankung hingegen, ist bereits einiges bekannt, Long-COVID ist mittlerweile vielen ein Begriff. Ein rechter Teil von Patientinnen und Patienten, die die Erkrankung durchgemacht haben, sind längerfristig erschöpft, schwächer und weniger leistungsfähig als zuvor, schlafen schlecht und fühlen sich nicht normal. Das passiert glücklicherweise nicht so häufig, aber ehrlich, möchte man es darauf ankommen lassen?

4) Mittel- und langfristige Nebenwirkung der Impfung

Ob die Impfung mittel- und langfristige Nebenwirkungen haben wird, verbleibt abzuwarten. Das Risiko wird von den Immunologen als eher gering eingeschätzt. Vor allem, wenn man den riesigen Nutzen einer so leistungsstarken Impfung in die Waagschale wirft. Schlussendlich wird dem Körper eine abgeschwächte, kontrollierte, infektionsähnliche Situation vorgetäuscht, gegen die er reagieren und einen Schutz aufbauen kann. Wieso sollten sich die langfristigen Nebenwirkungen da plötzlich als krasser herausstellen als bei einer richtigen, unkontrolliert verlaufenden Infektion mit dem Virus? Scheint mir wenig plausibel.

Impfen: nicht nur ein Recht, auch eine Verantwortung

Dass sich unser Staat darum kümmert, dass wir uns impfen lassen können – und notabene sogar noch die Kosten übernimmt – schätze ich sehr. Sich impfen zu lassen ist nicht nur für den einzelnen gut, schützt auch die anderen und hilft natürlich auch die Pandemie zu unterbrechen.

Auch wenn jemand eine relativ unspektakuläre Corona-Erkrankung durchmacht, ist er während Tagen infektiös, d.h. sein Körper wird zu einer riesigen Virus-Produktions-Maschine, die andere Leute anstecken und somit gefährden kann. Jeder, der sich impfen lässt, unterbricht diesen Zyklus. Er hilft mit, die Pandemie zu verlangsamen und hoffentlich bald zu stoppen.

So dass wir wieder zu einem entspannteren Leben zurückkehren können, wieder unbeschwerter unsere Lieben und Freunde treffen dürfen, uns wieder bewegen, reisen, gemeinsam singen und tanzen.

Liebe Impf-Unentschlossene, ja, vieles ist noch unbekannt, einiges davon kann Angst machen. Aber das Risiko, sich selber oder anderen mit einer COVID-19-Krankheit zu schaden ist auf jeden Fall um einiges höher, als der kleine Piks der Impfung. Übrigens, zu diesem Piks durfte ich diese Woche antreten: bis auf eine leichte Empfindlichkeit an der Impfstelle spüre ich nichts, ausser eine beginnende Erleichterung.

Literaturangaben:
1. https://www.who.int/health-topics/vaccines-and-immunization#tab=tab_1
2. McGurnaghan SJ, Weir A, Bishop J, et al. Risks of and risk factors for COVID-19 disease in people with diabetes: a cohort study of the total population of Scotland. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021;9(2):82-93. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/33357491
3. Lim S, Bae JH, Kwon HS, Nauck MA. COVID-19 and diabetes mellitus: from pathophysiology to clinical management. Nat Rev Endocrinol. 2021;17(1):11-30. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/33188364

2 Gedanken zu „Soll ich mich gegen COVID-19 impfen lassen?“

  1. Magdalena Dimitrov-Locher

    Herzlichen Dank für dieses Statement! Ich hoffe, meine Impfgruppe wird nun auch möglichst bald freigegeben, denn, auch wenn ich super eingestellt bin, habe ich berufsbedingt (ich bin Instrumentallehrerin und Berufsmusikerin) einfach mit zu vielen Menschen (aka potentielle Virenschleudern, da oftmals Kinder😉) Kontakt und kann es mir – auch bei mildem Verlauf – nicht leisten, 10 Tage auszufallen. Ich habe nämlich auch noch Kinder Zuhause und muss, wenn es mir gut geht, auch von Zuhause aus Fernunterricht erteilen, da wir rechtlich absolut nicht abgesichert sind… Für mich und mein Umfeld (sehr viele Ärzte) stellt sich die Frage der Impfung gar nicht und ich versuche, möglichst viele Leute davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Denn wenn wir ehrlich sind: Impfgegner können es sich hierzulande nur leisten, vehement gegen Impfungen zu sein, weil sich genug Leute impfen lassen und so auch eine – zum Glück – kleine Bevölkerungsgruppe mitschützen…

    1. Liebe Magdalena, vielen Dank für Deinen Kommentar! Ja, eben, die «normalen» Lebensumstände sind ja für viele so, dass es wichtig ist, einander zu sehen, miteinander Kontakt haben oder eben miteinander musizieren.
      Ich drücke uns allen die Daumen, dass wir das bald wieder dürfen!
      Herzlich, Carla

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