Wie häufig hast Du diese Woche etwas gegessen, was Du im Nachhinein bereut hast? Oder von vornherein bereits wusstest, dass das nicht so ideal sein könnte?
In unserem problem- und lösungsorientierten Umfeld ist es manchmal schwer zu verstehen, dass wir immer wieder denselben Fehlern verfallen. Grundsätzlich wäre es ja ideal, aus Fehlern zu lernen und diese beim nächsten Mal nicht mehr zu machen. Leider klappt das bei mir oft ganz schlecht: Problemlos kann ich Essensregeln verletzen, zu viel essen, falsch spritzen, mich einen ganzen Tag aufs Sofa setzen und mich am liebsten gar nicht bewegen. Oder nach einem guten Abendessen dann auch noch ein Dessert nachschieben, obwohl ich weiss, dass das jetzt nicht schlau ist. Im Anschluss ärgere ich mich natürlich, bin frustriert oder fühle mich gar zeitweise unfähig.
Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig theoretisches Wissen und praktisches Handeln miteinander zu tun haben. Man hat manchmal den Eindruck, wir schlauen, schlauen Menschen hätten vieles doch nicht so ganz unter Kontrolle. Wieso ist das so? Wie können wir aus Fehlern lernen?
Zwei Fehlertypen: zufällige Fehler und systematische Fehler
Wie in meinem Beruf kann ich auch beim Diabetesmanagement zwischen zwei Fehlertypen unterscheiden: es gibt den zufälligen Fehler, der sich schwer erklären lässt, da er manchmal auftritt und manchmal nicht. Dazu gehört ab und zu das Verhalten des Blutzuckers nach sportlichen Aktivitäten. Während eine Sporteinheit heute meinen Blutzucker senkt, kann es sein, dass dieselbe Aktivität morgen den Blutzucker steigen lässt. Zufällige Fehler sind schwierig auszumerzen, sie sind kaum vorhersehbar und können dementsprechend nicht umgangen werden. Meist ziemlich frustrierend. Wenn ein solcher Fehler passiert ist, nehme ich das zur Kenntnis und kümmere ich mich nicht weiter darum.
Dann gibt es aber auch die systematischen Fehler: diese wiederholen sich und verursachen regelmässig eine Blutzuckerabweichung in dieselbe Richtung. Zu diesen systematischen Fehlern gehören beispielsweise regelmässig auftretende Hypo- oder Hyperglykämien zur selben Tageszeit. Bei solchen regelmässigen Blutzuckerschwankungen könnte eine falsch eingestellte Basalrate der Insulinpumpe (Grundbedarf an Insulin, der unabhängig von den Mahlzeiten besteht) die Ursache sein, oder ein falsches Abschätzen von Kohlenhydraten in Lebensmitteln. Glücklicherweise kann man mit systematischen Fehlern gut arbeiten, diese meist relativ einfach minimieren oder eliminieren. Aber man muss sie finden und den Unterschied zwischen diesen beiden Fehlertypen machen können.
Finde den Fehler, unterscheide!
Mir gelingt das gut, indem ich mich regelmässig mit meinen Blutzuckerwerten auseinandersetze. Dies mache ich zum Beispiel mit einer Software (https://carelink.minimed.eu) oder anhand eines Tagebuchs oder einer Checkliste, die ich phasenweise führe. Wenn die Auswertungen regelmässig geplant sind, vielleicht 2x pro Monat, oder gar jeden Sonntag, werden diese Zwischenstopps angenehm kurz. Somit kann ich mich auf eine kleine Anpassung fokussieren und schauen, ob ich den Fehler in der nächsten Woche reduzieren kann.
Bei den systematischen Fehlern findet man nämlich ein Muster, auf das man sich konzentrieren kann. So stellte ich letztens wieder fest, dass ich immer an Tagen in denen ich in der Klinik rumrenne vor dem Mittag in ein Hypo falle und am späteren Nachmittag ebenfalls. Sitze ich aber den ganzen Tag in Besprechungen und am Schreibtisch, passiert mir das nicht. Da ich meine Blutzuckerkurve mit der zusätzlichen Info analysiere, wie der betreffende Tag war, erkenne ich den systematischen Fehler: an Kliniktagen reduziere ich meine Basalrate nun um einen Drittel und esse am späten Vormittag eine kleine Frucht.
Sehe ich in der Auswertung, dass mein Blutzucker an einem bestimmten Tag kurz vor Mittag unerwartet stark anstieg und ich in meiner Agenda eine aufreibende Sitzung eingeplant hatte, buche ich das als zufälligen Fehler ab. Diese haben kein Muster, passieren selten, und es gäbe nichts, was ich sinnvollerweise daran ändern könnte.
Diese Auswertungen, Entscheidungen und fortlaufend kleinen Anpassungen können ungeduldig machen, aber da so viele Faktoren auf die Blutzuckerkontrolle einwirken, ist es besser, regelmässig und hartnäckig in kleinen Schritten vorzugehen.